Liebe Bürgerinnen und Bürger,
Liebe Ratsmitglieder, Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter,
Lieber Herr Bürgermeister,
wir alle blicken auf sehr anstrengende Wochen zurück. Wir haben alle viel Zeit in langen Sitzungen hinter uns. Alle Fraktionen haben unsere Einladung wahrgenommen, sich an einen Tisch zu setzen – transparent und offen und nicht hinter verschlossenen Türen – und damit Zusatztermine und viel Arbeit in Kauf genommen. Niemand hat es sich mit diesem Haushalt leicht gemacht. Der Grund dafür ist eine paradoxe Situation, in der wir uns befinden:
Einerseits sprudeln die Steuereinnahmen wie nie zuvor, und das bereits seit Jahren in Folge, sodass wir 2023 voraussichtlich mit einem Überschuss von 3,5 Mio. € abschließen konnten, an den wohl niemand am Anfang des Jahres geglaubt hätte.
Andererseits wird diese sprudelnde Steuerquelle, so groß sie auch sein mag, nicht reichen, um in Zukunft auskömmlich wirtschaften zu können. Die Gemeinde schlittert auf unsichere Zeiten zu!
Der Reflex aus Verwaltung und Politik ist denkbar einfach: Wir müssen die Ausgaben verringern und die Einnahmen erhöhen – zu Deutsch: Wir kürzen zusammen, was diese Gemeinde ausmacht und erhöhen die Steuern. Dabei machen wir ein betroffenes Gesicht und beteuern, das alles nur ungern zu tun, und das ist zum Teil sogar aufrichtig: Niemand von uns erhöht gerne die Steuern.
Was dabei aber gänzlich ausbleibt, ist jede kritische Auseinandersetzung mit unserem politischen Handeln, ist Ursachenforschung und ist Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern.
Wir könnten den Bürgerinnen und Bürgern zum Beispiel sagen, dass unsere Haushaltspläne in den letzten Jahren durchgehend eine Tendenz haben, sehr pessimistisch aufgestellt zu sein – was mit dem vorläufigen Ergebnis 2023 einen Höhepunkt findet. Dieser fraglichen Tradition folgend geht dieser Haushalt zum Beispiel von einem Einbruch der Gewerbesteuer von 20 % aus. Sicherlich sind die wirtschaftlichen Zeiten nicht rosig, aber ein solcher Einbruch ist, mit Verlaub, durchaus pessimistisch. Ein Pessimismus mit Tradition in der Aufstellung des Haushalts, der dem Rat alljährlich Mittel und damit Möglichkeiten entzieht. In diesem Jahr soll er jedoch auch den Bürgerinnen und Bürgern Mittel entziehen. Spätestens jetzt ist damit eine rote Linie überschritten. Das können wir als UWG nicht mittragen!
Wir sollten den Bürgerinnen und Bürgern sicherlich außerdem sagen, dass wir nicht allein Schuld an der desolaten Finanzsituation sind, in der sich die Gemeinde, trotz der guten Ergebnisse der Vorjahre, mit Blick auf die Zukunft befindet. Die Preise und Ausgaben sind überall gestiegen. Das trifft auch die Gemeinde – vom Energiepreis bis zur Zinslast, von den Gehältern bis zur Kreis- und Jungendamtsumlage. Außerdem waren wir hochverschuldet, als wir unser Mandat angetreten haben. Wir waren Schuldenkreismeister – mit immensem Abstand zu allen anderen Kommunen. Der Handlungsspielraum war von Anfang an begrenzt – die UWG hat vor, während und nach der Wahl bei jeder Gelegenheit darauf hingewiesen.
Wir müssten den Bürgerinnen und Bürgern aber auch sagen, dass uns dieser geringe Handlungsspielraum nie gestört hat: Wir haben investiert und werden investieren in nie dagewesenem Ausmaß – in Beton und Boden. Die UWG hat dabei stets gewarnt und steht vielen dieser Ausgaben bis heute kritisch gegenüber, etwa im Hinblick auf die Ausmaße des neuen Rathauses, die frühe Beerdigung von Sanierungsplänen des alten Rathauses, im Hinblick auf Straßenumbaumaßnahmen, die nur geringe Verbesserungen bringen werden, den Ankauf von so mancher landwirtschaftlichen Fläche und im Hinblick auf einen riesigen personellen Ausbau der Verwaltung, der niemals von einer umfassende Kapazitätsanalyse und damit von unabhängigen Augen begleitet und legitimiert wurde. Mehrheiten konnten wir aber leider nicht generieren, obwohl wir nicht alleine waren. Die Gemeindeprüfungsanstalt hat diesen Rat ebenfalls gewarnt und auch der Kämmerer hat immer wieder Worte gefunden, um uns auf die Ausmaße unserer Investitionstätigkeiten hinzuweisen.
Am Ende, so werden Sie jetzt wieder einwenden, Herr Bürgermeister, hat das aber mit der aktuellen Situation nichts zu tun. Sie berufen sich dabei auf ein Haushaltsrecht, das Investition und Ergebnis in unterschiedlichen Bereichen eines Haushalts aufführt, in Ergebnis- und Finanzplan. Entsprechend hätten Kürzungen in den Investitionen auf der einen Seite nichts mit den aktuellen Defiziten im Ergebnis der laufenden Finanztätigkeit der Gemeinde zu tun. Damit machen Sie es sich aber zu einfach. Allein die Zinslast hat sich vom Ergebnis 2022 bis zum vorliegenden Haushaltsplan 2024, also in einem Jahr, nahezu verdoppelt. Eine weitere Verdopplung steht uns in dann bis 2026 bevor, wenn man dem vorliegenden Haushaltsplan folgt – und die Tendenz geht weiter steil nach oben. Diese Zinsen werden spätestens 2026 alles „auffressen“, was wir heute durch Steuererhöhungen einnehmen wollen. Zinsen sind Teil des Ergebnisplans, Herr Bürgermeister, und wirken sich hier drastisch aus!
Vor diesem Hintergrund empfinden wir es als unfair, wenn uns jetzt vorgehalten wird, dass wir keine Sparvorschläge gemacht hätten. Die UWG hat immer auf Haushaltsdisziplin gedrängt, nicht erst in den letzten Wochen, in der das Debakel, in dem wir stecken, wohl allen bewusst geworden ist. Dieser Haushalt enthält Verpflichtungsermächtigungen von 30 Millionen Euro. Da ist so viel drin, was wir in dieser Form nicht mittragen wollen. Uns dann jetzt als „Blockierer“ hinstellen zu wollen, ist aber ebenso unfair und unterschlägt, dass wir die Dinge, die wir für nötig erachtet haben, immer unterstützt haben, sei es die neue Feuer- und Rettungswache in Clarholz, den Breitbandausbau im Außenbereich oder den Hochwasserschutz durch die Renaturierung des Axtbachs. Außerdem haben wir unsererseits Vorschläge gemacht – und ja: Wir halten das Deutschlandticket für alle Schülerinnen und Schüler der VZG noch immer für eine gute Idee! Wir wollen in diejenigen investieren, die eines Tages als Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die Auswirkungen der Investitionen tragen müssen, die wir heute beschließen. Wir wollen in die Menschen investieren und nicht in Grund und Beton, denn Menschen zahlen die Steuern, die wir hier zu ihrem Wohle verwalten dürfen.
Entsprechend haben wir den Bürgerinnen und Bürgern „Danke“ zu sagen an diesem Tag! Danke dafür, dass Sie die Gemeinde mit einer Steuerkraft in nie gekanntem Ausmaß ausstatten.
Und dann sollten wir den Bürgerinnen und Bürgern vor allen Dingen zuhören: Auch sie sind finanziell im höchsten Maße belastet, haben mit der Inflation des vergangenen Jahres und den Teuerungen in vielen Bereichen des täglichen Lebens zu kämpfen. Steuererhöhungen können sie nicht gebrauchen – und Herzebrock-Clarholz braucht diese Steuererhöhungen auch nicht, wenn sein Rat endlich anfangen würde, solide mit dem vielen Geld auszukommen, das er bereits zur Verfügung gestellt bekommt.